Myopie-Kontrolle als neuer Spezialfall Brille/Kontaktlinsen: Beitrag pro Jahr CHF 850.– (bis max. 21. Altersjahr),
Voraussetzung ist eine fachärztliche Verordnung mit Angaben von axialer Augenlänge, Progressions-Nachweis und Myopiegrad.
Text von der Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) Nov. 2022
Kurzsichtigkeit beginnt im Kindesalter. Das unscharfe Sehen in der Ferne begünstigt auch ernste Augenerkrankungen wie Makuladegeneration oder Netzhautablösung. „Eltern sind daher gut beraten, einer Kurzsichtigkeit mit ein paar Verhaltensregeln vorzubeugen oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen“.
„Kinder sollten zwei Stunden pro Tag draussen spielen, das halbiert das Risiko für Kurzsichtigkeit, sie sollten den Mindestleseabstand von 30 Zentimetern zu Buch oder Tablet einhalten und jede halbe Stunde eine Pause einlegen und den Blick in die Ferne schweifen lassen“. Zudem sei es ratsam, den Kinderschreibtisch ans Fenster zu stellen, sodass der Arbeitsplatz möglichst hell beleuchtet ist.
Atropin-Tropfen: bis zu 40 Prozent geringere Kurzsichtigkeit
Sind beide Elternteile ausgeprägt kurzsichtig, ist Wachsamkeit angesagt. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit für das Kind erhöht, ebenfalls stark kurzsichtig zu werden“. In diesen Fällen könnte eine Therapie mit Atropin-Tropfen helfen, die viele Augenärztinnen und Augenärzte in Kliniken und Praxen anbieten. „Dafür kommen Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren in Frage, bei denen die Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine halbe Dioptrie zunimmt“. Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht.
„Studien aus Asien belegen, dass die Tropfen die Zunahme der Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent abbremsen“. Trotzdem sollten sich Kinder weiterhin zwei Stunden pro Tag im Freien aufhalten.
Kurzsichtigkeit sollte nicht unterkorrigiert werden. „Die Annahme, schwächere Brillengläser würden das Augenlängenwachstum bremsen, ist falsch“, warnt der Experte. „Das genaue Gegenteil ist der Fall: Unterkorrektur fördert Kurzsichtigkeit“. Vor diesem Hintergrund rät der Augenspezialist: „Kinder, deren Kurzsichtigkeit fortschreitet, sollten halbjährlich untersucht und ihre Brille bei Bedarf an die aktuellen Werte angepasst werden.“ Spezielle Brillen, die versprechen, die Kurzsichtigkeit aufzuhalten, betrachtet der Experte mit Zurückhaltung: „Um diese sogenannten Multisegment-Gläser abschließend beurteilen zu können, bedarf es weiterer, unabhängiger Studien.“
Eine Alternative sind spezielle Kontaktlinsen, welche die Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent mindern können. „Hier ist die Studienlage wesentlich breiter und solider“. „Wenn das Kind motiviert ist und Lust auf Kontaktlinsen und die damit verbundene Hygiene hat, kann man sie ab einem Alter von etwa zehn Jahren empfehlen.“ Wichtig zu wissen: Eine Möglichkeit zur Minderung der Kurzsichtigkeit besteht nur im Kindes- und Jugendalter während der Wachstumsphase des Augapfels. „Diese Entwicklung ist größtenteils mit 17 Jahren abgeschlossen“. „Bei Erwachsenen funktioniert das also nicht mehr.“
Dem körpereigenen Schalter gegen Kurzsichtigkeit auf der Spur
Unterdessen sind die Forscher den Entstehungsmechanismen der Kurzsichtigkeit weiter auf der Spur. „Eine neue Erkenntnis ist, dass die Netzhaut im kurzsichtigen Auge die Fähigkeit einbüsst, das übermäßige Wachstum des Augapfels zu erkennen“, berichtet Professor Dr. rer. nat. Frank Schaeffel vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde an der Universität Tübingen. Ist das Auge normalsichtig, sendet die Netzhaut bei zu starkem Augapfel-Wachstum ein wachstumshemmendes Signal. „Im kurzsichtigen Auge fällt dieses Signal zu schwach aus“, erläutert der Tübinger Forscher. Warum und wann der Wachstumsregelkreis aus dem Tritt gerät, ist noch unklar. „Das möchten wir gerne verstehen. Es wäre natürlich ideal, ihn zu reaktivieren und die Kurzsichtigkeit auf diese Weise auszuschalten“, betont Schaeffel, der zugleich am Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel tätig ist. Noch steht die Forschung hierzu aber am Anfang.
Literatur: https://iovs.arvojournals.org/article.aspx?articleid=2772368
https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio. 2006021
https://tvst.arvojournals.org/article.aspx?articleid=2778758
https://link.springer.com/article/10.1007/s00417-022-05842-z